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Die Evangelische Stadtpfarrkirche St. Nikolai in Bad Freienwalde

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An der höchsten Stelle des Freienwalder Marktplatzes steht, dem Schutzpatron der fahrenden Händler, Fischer und Schiffer geweiht, seit dem ersten Drittel des 13. Jahrhunderts die Nikolaikirche. Sie ist ein spätgotischer Backsteinbau, in den Reste eines Feldsteinvorgängers einbezogen wurden. Diese aus regelmäßig behauenen Feldsteinquadern bestehenden Reste befinden sich vor allem an der West- und Nordwand. 

Die Umwandlung des Feldsteinsaals in eine repräsentative gotische Backsteinkirche begann mit dem Anbau des Chorpolygons mit 5/10-Schluss. Eine heute nicht mehr sichtbare Inschrift zeigte an, dass er 1453 fertig gestellt worden war. Gleichzeitig mit dem Choranbau wurden die Wände des Langhauses mit Ziegelmauerwerk erhöht und der schöne, blendenverzierte Westgiebel angefügt. Die alte Südwand aus Feldstein wurde ganz in Backstein ersetzt, unter Wiederverwendung einzelner Feldsteine. 

Erst zwischen 1518 und 1522 entstand an der Südwestecke des Kirchenschiffes der Turmanbau. Er besteht im unteren Teil aus regelmäßig behauenen Feldsteinen, darüber aus Backstein. Das erste Obergeschoss besitzt je vier Blenden, das zweite je vier Fenster. Nach Osten schließt sich dem Turm ein zweijochiges, kreuzrippengewölbtes Seitenschiff an, dass später um ein Emporengeschoss aufgestockt wurde.

Der Seitenschiffgiebel ist mit prächtigen Kielbögen verziert. 1580/81 wurde dieses Seitenschiff weiter nach Osten verlängert und ein kreuzgewölbter Raum für das Ratsarchiv angebaut. Seit dem 17. Jahrhundert dient er als Sakristei.

Blitzeinschläge führten 1584 und 1637 zu Turmbränden, nach denen der Turm mit jeweils verändertem Oberteil repariert wurde. Nach dem Blitzeinschlag von 1867 konnte nur durch den beherzten Einsatz der Wriezener Freiwilligen Feuerwehr, der ersten in der Mark Brandenburg, ein Übergreifen des Feuers auf das Langhaus verhindert werden. Noch im selben Jahr erhielt der Turm die Gestalt, die bis heute das Stadtbild prägt.

1998 musste seine absturzgefährdete Bekrönung herabgeholt werden. In der Turmkugel fanden sich keinerlei Dokumente oder andere Beigaben. Im Juni 2001 wurde die von dem Angermünder Metallrestaurator Wilfried Schwuchow neu gebaute, insgesamt 8 Meter hohe Bekrönung wieder auf die Turmspitze gesetzt.

Im Jahre 2007 unterzog der Bauarchäologe Dirk Schumann die Nikolaikirche im Vorfeld umfangreicher Sanierungsmaßnahmen einer eingehenden bauhistorischen Untersuchung, die eine detaillierte Klärung der Baugeschichte ermöglichte. Dabei stellte sich heraus, dass zu dem umfangreichen mittelalterlichen Baubestand der Kirche auch ein mittelalterliches Dachwerk gehört, das größtenteils noch im originalen Verband erhalten ist.

Die Innenausstattung der Nikolaikirche bietet ein sehr einheitliches Bild aus der Zeit der Renaissance um 1623. Man betritt die Kirche durch das südliche Seitenschiff. Der lichtdurchflutete, sterngewölbte Chor ist mit einem spitzbogigen Triumphbogen vom Kirchenschiff abgetrennt. Das Kreuzgewölbe des Schiffes unterscheidet sich in seiner groben Ausführung und der braunen Farbfassung der Rippen ganz wesentlich von dem des Chores. In wilder Linienführung überziehen die Rippen die Decke und zeugen von mangelnder Handwerkskunst, die im 17. Jahrhundert nach den schlimmen Jahren des Dreißigjährigen Krieges nichts Besseres zustande brachte. An der nördlichen Chorwand zeigen sich Reste der einst wohl flächendeckenden Wandmalereien.

Der Altaraufsatz von 1623 ist ein viergeschossiges Werk im Spätrenaissancedekor. In seinen Nischen stehen Evangelistenfiguren, im Hauptgeschoss Markus und Johannes, darüber Matthäus und Lukas, ergänzt durch Petrus und Paulus. In der Bekrönung stehen links und rechts Engelsfiguren, in der Mitte Christus als Auferstandener mit der Weltkugel und der Siegesfahne. Die Gemälde in den Mittelfeldern zeigen in der Predella das Abendmahl, im Hauptgeschoss eine Ecce-Homo-Darstellung und darüber die Kreuzigung und Grablegung. Der gesamte Altaraufsatz ist mit reichem Beschlagwerk und Säulen geschmückt. Das Bildprogramm und die Figuren entsprechen dem Geist der Reformation. Der Freienwalder Altar gehört in eine Reihe von Spätrenaissancealtären aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts, die sich in verschiedenen Kirchen des Barnims befinden und ein ähnliches Bildprogramm zeigen.

Gleichzeitig mit dem Altar entstand die qualitätsvoll gearbeitete Kanzel, deren Brüstungsbilder Gemälde der vier Evangelisten tragen. Auf dem Schalldeckel sitzt ein Pelikan, umgeben von alttestamentlichen Gestalten (Aaron, Mose, Jeremia, David).

Ebenfalls im Jahre 1623 kam das siebensitzige Chorgestühl an die Südseite des Chores. Das gegenüber liegende Ratsherrengestühl ist etwas jünger und wie das ältere gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit der heutigen Farbfassung verziert worden.

Im Chor hängen zwei Gemälde aus der Zeit vor 1618, als die Freienwalder als Stadtherren die Familie von Uchtenhagen hatte. Das eine zeigt den dreieinhalb Jahre alten letzten Spross der Familie mit Namen Caspar, der in der Hand eine Birne hält, die von den habsüchtigen Lehnsvettern mit Gift präpariert gewesen sein soll. Der Sage nach sei der Junge 1603 an diesem Gift gestorben. Das zweite Bild zeigt ih mit einer Totenkrone auf dem Kopf ganz blass im Sarg liegend. Er selbst sowie sein 1618 verstorbener Vater Hans von Uchtenhagen wurden in der Gruft vor dem Altar bestattet.

Das älteste Stück der Kirchenausstattung ist der spätromanische Taufstein aus dem 13. Jahrhundert. Die Taufschale aus Messing ist eine Nürnberger Arbeit des 17. Jahrhunderts, wie sie in vielen Kirchen der Mark Brandenburg anzutreffen ist. Im runden Mittelfeld sieht Joshua und Chaleb mit der Riesenweintraube, umgeben von Ziermajuskeln, die keinen Sinn ergeben.

Auf der dreiseitigen Empore aus dem 18. Jahrhundert thront der dreiteilige barocke Orgelprospekt. Schon 1505 erhielt die Nikolaikirche ihre erste Orgel. 1728 wurde der berühmte märkische Orgelbaumeister Joachim Wagner in Freienwalde tätig. Seine Orgel besaß 18 klingende Stimmen und 1061 Pfeifen. 1899 baute die Orgelbaufirma Sauer, Frankfurt (Oder), hinter den alten Prospekt ein neues Orgelwerk, das 1976 vom VEB Orgelbau Sauer in den jetzigen Zustand versetzt wurde.

Von den Epitaphien, die an Personen erinnern, deren Gebeine unter dem Kirchenboden ruhen, sei dasjenige für den Generaladjutanten Friedrichs des Großen, Felix von Borcke, genannt. Er war vom König auf den Freienwalder Gesundbrunnen geschickt worden, um hier seine Leiden auszukurieren. Nachdem er 1751 gestorben war, wurde er als Standesperson in der Kirche beigesetzt.

1637 vernichtete ein Turmbrand alle fünf Bronzeglocken. Im 17., 18. und 19. Jahrhundert sind mehrmals neue Glocken gegossen oder umgegossen worden. Vom bronzenen Dreiergeläut hat man im Herbst 1917 die beiden größeren Glocken zerschlagen und an die Heeresverwaltung abgeliefert. 1924 erfolgte die Anschaffung zweier neuer Bronzeglocken, die 1942 erneut zu Kriegszwecken abgeliefert werden mussten. Nur die kleinste der drei Glocken von St. Nikolai aus dem 18. Jahrhundert überlebte als Läuteglocke das Kriegsende. Am Reformationstag 1957 konnten zwei neue Glocken der Fa. Schilling in Apolda in Dienst genommen werden. Seitdem erklingt das alte Dreiergeläut wieder über die Stadt.

(Quelle: Dr. Reinhard Schmook, Heimatkundliche und regionalgeschichtliche Schriften der Albert Heyde Stiftung in Bad Freienwalde, Band 2: Führer zu den Kirchen und Gemeindehäusern im Evangelischen Kirchenkreis Oderbruch, hrsg. vom Kreiskirchenrat des Evangelischen Kirchenkreises Oderbruch, Kunersdorf 2012)

Letzte Änderung am: 07.05.2020